Ein wichtiger Aspekt der Globalisierung von Wirtschaftsaktivitäten ist die weltweit immer ausgreifendere Erschliessung von Beschaffungsquellen, das sogenannte Global Sourcing. Damit sind nicht nur wesentlich bessere Preis-Leistungs-Verhältnisse im Einkauf verbunden, sondern unter Umständen auch schwerwiegende Dilemmasituationen, welche die einkaufenden Unternehmen im Kern ihres Selbstverständnisses treffen.

Konkrete Beispiele haben gezeigt, dass manch einem globalen Einkäufer nicht bekannt war, unter welchen Bedingungen die bestellte Ware hergestellt wurde. Inzwischen hat sich das Problembewusstsein in dieser Hinsicht verbessert. Es wurde erkannt, dass die komparativen Vorteile von Lieferanten aus Ländern, die in ihrer Entwicklung gemessen am Stand der Industrieländer noch deutlich zurückliegen, allzu oft gekoppelt sind an Arbeitsbedingungen, die entweder gegen international anerkannte Menschenrechte oder Arbeitsnormen gemäss Internationaler Arbeitsorganisation verstossen.

In solchen Fällen setzen sich ausländische Abnehmer dem Verdacht aus, einschlägige Missstände des eigenen Vorteils wegen zu «übersehen», d.h. hinzunehmen. Diese Praxis macht sie jedoch objektiv zu Komplizen ihrer Lieferanten. Je nach Selbstverständnis beschert dieser Tatbestand einem Unternehmen einen substantiellen Verlust an Glaub- und Vertrauenswürdigkeit.

Diese Schädigung des ethischen Integritätsprofils einer Firma beruht auf dem inkriminierten Sachverhalt als solchem und nicht auf der Anzahl Menschen, denen dieser Sachverhalt bekannt ist. In Anbetracht des internationalen Entwicklungsstands der Informations- und Kommunikationstechnologien ist allerdings davon auszugehen, dass einschlägig belastende Tatbestände eher früher als später ins öffentliche Bewusstsein von Industriegesellschaften getragen werden. Damit ist dann auch die entscheidende Voraussetzung für die Entstehung eines ethischen Reputationsschadens unabsehbaren Ausmasses gegeben.

Lieferantenbeziehungen sind jedoch auch im vertrauten kulturellen Kontext, zum Beispiel in Industrieländern westlichen Typs, anfällig für Handlungsweisen, die besonders eindringlich Verantwortungsfragen aufwerfen. Zu denken ist hier insbesondere an Bestechungspraktiken im funktionellen Zusammenhang der Auftragserteilung an Lieferanten. Auch der Einsatz von Marktmacht bei der Aushandlung von Lieferkonditionen stellt eine praktische Bewährungsprobe für die ethische Integrität des jeweils stärkeren Vertragspartners dar.


© 2004 DMK Economics & Integrity GmbH top